Das Progressive Hard Rock Duo COREIGN aus der Schweiz, welches sich auch gerne selbst als „musikalisches Chamäleon“ bezeichnet, macht nicht nur beeindruckende Musik, sondern gab uns auch sehr informative und detailierte Aussagen. Das Interview mit Curry und Reto war bis Dato das Interessanteste, welches RRFM mit einer Band führen durfte.
Radio Rock FM: Hallo ihr Beiden. Am Anfang beginnen wir immer ganz klassisch. Für alle die euch bisher noch gar nicht kennen, stellt euch doch mal kurz unseren Hörern und Lesern vor.COREIGN: Hallo zusammen, wir sind COREIGN, eine Progressive Hard Rock Studio Band aus der Schweiz. Die Mitglieder sind Curry und Reto und wir sind ein Komponisten-Ehepaar.
Radio Rock FM: Ihr macht jetzt seit 2013 gemeinsam Musik und habt bis heute ganze 8 Alben und eine EP komplett selbst eingespielt und produziert. Woher nehmt ihr diese Energie und euren Ideen Reichtum?
COREIGN: (beide grinsen) …also in der Zeit als COREIGN, ja genau. Davor, also 2013 bis Juni 2016 hiessen wir noch CORE und hatten damals bereits 7 Alben, eine EP und eine Single veröffentlicht. Nach der Umbenennung zu COREIGN im Juni 2016 haben wir uns entschieden, alles vom Markt zu nehmen und nochmals neu zu beginnen. Dabei sind ‚Sphere‘ und ‚Silence‘ identische, aber remastered Alben und natürlich sind auf den weiteren neuen Alben jeweils einige Songs aus der Zeit davor; alles neu eingesungen und eingespielt, teilweise kompositorisch und im Arrangement überarbeitet, und sicher immer neu gemixt und gemastered.
Die Energie entspringt unserer Liebe und der Leidenschaft für die Musik. Wir reisen nicht und haben keine anderen Hobbies, wir können also enorm viel Zeit ins Komponieren und die Produktion investieren. Curry hatte bereits ca. 80 Songs vor unserer gemeinsamen Zeit komponiert und Reto brachte ebenfalls ca. 50 Songs mit in die Ehe. Was als Projekt für einen Songtrack zu einem kleinen Video begann, explodierte dann irgendwie und es entstanden und entstehen dauernd neue Songs. Momentan sind Ideen für wohl weitere 40 Songs in der Schublade und es entstehen laufend ein paar mehr
Radio Rock FM: Wirklich beeindruckend ist ja die Tatsache, das ihr das alles nur zu Zweit macht. Erzählt uns doch mal kurz wer von euch welche Instrumente abdeckt?
COREIGN: Beide machen „alles“ in der Entwurfsphase. In der Ausarbeitung gibt es aber schon Schwerpunkte. So ist Curry vor allem zuständig für die Vocals und die Drums, während Reto eher Keys, Guitars und Bass macht. Es gibt aber auch Synth-Passagen und -Solis von Curry. Die Lyrics entspringen oft einzeln, aber das Übersetzen, Längenanpassen und Reimen machen wir zusammen. Die Kompositionen und Arrangements entstehen inzwischen oft aus gemeinsamen Ideen welche sich organisch entwickeln. Für das Mixing und Mastering an sich ist dann wieder Curry zuständig, während Reto hier die Technik und das Klangbild beisteuert.
Radio Rock FM: Habt ihr nie daran gedacht, noch 2 – 3 weitere Musiker in die Band zu holen?
COREIGN: Ganz klar: Nein. Wir haben beide genug Erfahrungen mit Musikern, welche zwar locker aber auch unzuverlässig sind, Bandmitgliedern, die sich beruflich neu orientieren und darum wegziehen, Kollegen, die unbedingt die Freundin als Sängerin mitbringen wollen; mit divergierenden Ambitionen und Zielen und Fähigkeiten. Das ist absolut nicht böse gemeint, aber der Mensch ist in einer Band oft ein extrem kritischer Faktor: das Gift welches die Band dann schlussendlich killt. Schau Dir die Bands an welche funktionieren, und Du wirst bemerken, dass es oft Familienmitglieder sind (zB. AC/DC) oder Jugendfreunde (zB. Rolling Stones) wenn es langfristig in gleicher Zusammensetzung klappt. Als Komponisten-Ehepaar, welches identische Interessen und Fähigkeiten mitbringt und zusammen alle Instrumente abdecken kann, haben wir uns damals bewusst CORE genannt, also der „innere Kern“, respektive neu COREIGN (Ko-Herrschaft), welches dies auch im Bandnamen wiederspiegelt.
Radio Rock FM: Bisher seid ihr ja eine reine Studio Band. Habt ihr euch das eigentlich in Stein gemeißelt oder besteht irgendwann auch mal der Wunsch und die Möglichkeit, mit COREIGN Live aufzutreten? Das Zeug dazu hättet ihr allemal.
COREIGN: Oh, danke für das Kompliment! Das ist ein wiederkehrender Diskussionspunkt und, da wir recht oft Anfragen oder sogar Einladungen erhalten, ist eine Projekt-Band durchaus hin und wieder ein Thema. Wir möchten aber keinesfalls zu Zweit im Half-Playback auftreten, dann sollte es schon mit echten Musikern sein. Dem widerspricht aber die Tatsache, dass unsere Songs teilweise extrem viele Layers haben und wir darum die Songs zuerst „bühnentauglich“ machen müssten. Momentan ist es uns aber enorm wohl in unserem Home-Studio und wir lieben es so wie es ist. Aber wer weiss was die Zukunft bringt?
Radio Rock FM: Euren Musikstil habt ihr klar unter dem Banner „Progressive Hard Rock“ definitiert. Wie ich auf eurer Homepage gelesen habe, ist das aber noch längst nicht alles, was ihr miteinander verbindet. Tatsächlich vermischt ihr eine ganze Menge verschiedener Genres und Einflüsse zu einem einzigartigen Stil. Erzählt uns doch mal, was ihr da alles aufgreift und wie es dazu kam.
COREIGN: Der Mensch ist ein Augentier, ja klar, aber daneben orientieren wir uns enorm an der Akustik. Schau Dir einmal einen Film an und achte auf die Geräuschkulisse: wenn der Mörder das Messer zieht und die Streicher und Hörner in schrägen Harmonien die Stimmung zum Bild zeichnen. Oder in einem Gewitter, wo das Auge den Blitz sieht, aber die Ohren den Donner hören – das ist der Sound-Track des Lebens. Musik ist ein Stimmungsfaktor, welcher „stimmen“ sollte; im Bergrestaurant, nach dem Ski laufen, passt die Volksmusik auf dem Akkordeon einfach besser als Heavy Metal, auch wenn wir das sonst im Radio nicht hören würden (also die Volksmusik *smile*). Aus der kompositorischen Sicht sind aber genau diese Aspekte für uns extrem interessant: welche Harmonien werden verwendet und wie ist die Instrumentierung und der Groove, damit etwas so daherkommt wie es eben tönt. Wir hören uns quer durch alle Genres und sind vor allem auch Fans von Filmmusik (v.a. H. Zimmer). Dabei sind auch Musikerportale wie Reverb Nation, Soundcloud, Bandcamp und viele mehr, interessante Quellen. Und trotz manchmal geringer Aufnahme-Qualität finden sich da und dort Klangperlen, die sehr inspirierend sind. Oft nehmen wir solche Fragmente unbewusst mit uns mit, und irgendwann, irgendwo kommen diese wieder hoch. Das hat dann mit dem effektiv gehörten absolut gar nichts mehr zu tun, aber es hat ein inspirierter Prozess „im Innern“ stattgefunden. Wir sprechen dabei vom „inneren Radio“, welches wir beide haben. Eine Idee, eine Passage, Musik, ein ganzes Konzert welches im Gehirn vor sich hin dudelt. (und, so interessant sich das auch anhören mag, es kann auch lästig werden, wenn es nicht mehr stoppen will…). Dieses Hirn-Gedudel (oder manchmal auch frei experimentiertes Herumgedrücke auf den Tasten) führt dann zu einer konkretisierten Idee, einem Draft. Das kann mal nur ein Lick oder ein Verse sein, manchmal aber auch ein kompletter Song. Das Resultat definiert sich dann auch nicht effektiv als Prog- oder Rock- oder Funk-Song, es „passiert“ einfach und die Styles und Genres verschmelzen dabei wild. Durch die vielen Layers und Konter-Elemente sowie unserer Instrumentierung hört es sich dann aber immer nach Coreign an, auch wenn wir partout in keine Schublade passen.
Radio Rock FM: Kommen wir mal zum aktuellen Album „Eternity.“ Was als erstes ins Auge fällt, ist die Tatsache das auch ganze Drei Gastmusiker daran beteiligt waren. Schaut man sich dabei die einzelnen Bio’s auf eurer Homepage an, stellt sich schnell heraus, das eure Kollegen in den USA und Japan beheimatet sind. Mich würde brennend interessieren, wie ihr euch überhaupt kennengelernt habt und es zur Zusammenarbeit gekommen ist.
COREIGN: Das ist heutzutage dank Internet und social media respektive Musiker-Portalen keine grosse Sache. Du hörst Dir Tracks von anderen Musikern an und schreibst zB einen Kommentar „hey, toll gemacht“ und ihm oder ihr gefallen Deine Tracks auch. Es entsteht ein Gespräch und irgendwann sprichst Du dann vielleicht auch darüber, ob eine kleine Zusammenarbeit als Gast-Musiker interessant wäre.
Radio Rock FM: Wie muss man sich die Produktion mit Jimmy Youngman, Kojiro COPAN Kawai oder Klarissa Collins vorstellen? Werden die Gitarrenspuren von zuhause aus eingespielt und ihr bekommt sie anschließend Digital herüber geschickt oder ist tatsächlich auch mal jemand Live vor Ort?
COREIGN: Nein, das passierte bisher alles „virtuell“, was aber nicht heisst, dass ein in der Nähe lebender Gast-Musiker auch mal im Home-Studio bei uns aufnehmen kommen könnte. Das Vorgehen ist derart, dass wir verschiedene Versionen eines konkretisierten Drafts (zB eine Version mit dem Gesamtsound sowie eine Version ohne Bass, wenn der Gast-Musiker den Bass machen soll) versenden. Der Gast-Musiker seinerseits „spannt“ das in seiner DAW ein und spielt seine Idee dazu, und sendet uns danach eine isolierte WAV-Datei (wegen der Qualität), mit Effekten aber ohne Hall. Dies erlaubt es uns dann, seine räumliche Position im Gesamt-Mix selber festzulegen (Pan, Reverb, Echo).
Radio Rock FM: Gefühlt bringen die Drei ja auch nochmal ordentlich Qualität mit. Die Gitarren Solis hauen richtig rein. Ist auch auf zukünftigen Alben wieder mit ihnen wieder zu rechnen?
COREIGN: Reto ist aus seiner Geschichte vor allem Keyboarder und steuert bei Coreign meistens die Rhythmus-Gitarre bei. Da macht es schon Sinn, als Alternative zu seinen Synth-Guitar-Solis, hin und wieder Gitarren-Soli von einem Gast-Musiker machen zu lassen. So ist es nicht erstaunlich, dass von den 5 bisherigen Gast-Musikern 4 Gitarristen mit einer Solo-Contribution sind. Mit Gast-Musikern zu arbeiten ist aber auch nicht immer einfach, wenn sich Vorstellungen oder Qualität nicht treffen, und so mussten wir leider auch öfter Absagen machen oder eingesendetes Material überarbeiten. Wir werden aber sicher hin und wieder, auch neue, Gast-Musiker mit dabeihaben.
Radio Rock FM: Im Laufe der Zeit hat sich euer Stil ja auch ständig weiter entwickelt. Wenn ihr zurück schaut, was hat sich eurer Meinung nach, vom ersten Album „Sphere“ bis heute zu „Eternity“ musikalisch verändert?COREIGN: Wir finden, dass wir uns kompositorisch nicht verändert haben, wir machen einfach unser Ding. Ja sicher, es kann gut sein, dass ein Album mal mehr ins jazzige geht, mehr Balladen an Bord hat, etwas a la Fusion tönt oder eher symphonisch daherkommt oder sich auch mal stellenweise nach Mainstream anhört. Diese kompositorische Breite macht uns grossen Spass, aber wir sind uns sehr wohl bewusst, dass das auch Probleme mit sich bringt, vor allem auch dann, wenn man uns irgendwo ins richtige Regal stellen oder in die richtige Schublade stecken möchte. Coreign ist ein musikalisches Chamäleon, sorry.
Was man aber ganz sicher sagen kann ist, dass wir uns in der Zeit seit unserem ersten Release im April 2014 (noch als CORE) vor allem produktionstechnisch extrem weiterentwickelt haben (das war auch ein wichtiger Grund, die alten Alben vom Markt zu nehmen). Wir haben dazu auch extern produzieren lassen und Beratung bei professionellen Sound Engineers eingeholt. Inzwischen bringen wir das Resultat in einem gut vertretbaren Mass aber auch selber auf die Reihe, weshalb wir es nun wieder selber produzieren. Klar, wir werden nie die Profis sein im Mixing und Mastering, aber wir sind bestimmt schon einiges weiter als bloss „Radio ready“. Und: wir versuchen auch betreffend Performance immer besser zu werden. Ein bisschen Vocal-Coaching hier, ein bisschen Gitarren-Tutorials dort und natürlich, das A und O, üben üben üben. Ohne harte Arbeit geht nichts, bei allem Talent.
Radio Rock FM: Welche Bands haben euch dabei allgemein in eurem kreativen Schaffen besonders geprägt und beeinflusst?
COREIGN: Irgendwie alles. Es ist die Erhabenheit bei Bach, die Lebensfreude bei Mozart, die Schwere bei Rachmaninow und die Weite bei Tchaikovsky. Es sind die Tränen beim Lauschen von „Ave Maria“, die Leichtigkeit bei „Summertime“, der Stolz bei „Stratus“, die Nachdenklichkeit bei „Exodus“ und die Verwirrtheit beim Free-Jazz. Vor allem aber ist es die Inspiration beim Beobachten dieses Mädchens in der Strassenbahn, welche einen 1-3-1-3 Groove leise vor sich hin summt, der Dich vereinnahmt, einfängt, mitreisst. Das ist das Leben! Musik ist Kultur und Kultur ist Identität. Identität ist unterschiedlich und anders, aber das ist gut so. Es gibt derart viele Musiker und Bands die uns gefallen und inspirieren, und alle haben sie etwas zu unserem Sound-Track des Lebens beigetragen.
Radio Rock FM: Letzte Frage für heute. Wo seht ihr eure Zukunft mit COREIGN? Habt ihr noch Ziele die ihr unbedingt erreichen wollt?
COREIGN: Es ist uns enorm wohl da, wo wir heute stehen. Für uns war und ist die Musik in erster Linie unsere Passion. Dass unsere Musik Anderen auch gefällt ist darum bereits ein riesiges Plus, ganz ehrlich. Unser erstes Album-Review (damals noch als CORE) war ein grosser Schock, aber wir hatten es zur Seite gelegt und uns minutiös alle Punkte immer wieder durchgelesen und da, wo wir die Kritik als berechtigt fanden, nach Verbesserungen gesucht und umgesetzt und dort, wo wir unsere Position als richtig betrachteten, diese zu vertreten gelernt. Das Ziel war ja, einfach Spass mit unserer Musik zu haben, und diesen hatten wir von Anfang an! Aber es ging weiter und weiter und dank der vielen Rückmeldungen, zum Teil von echten Profis, die sich unserer erbarmten und uns lange emails oder Telefonate gewährten, durften wir enorm viel dazulernen und konnten uns immer weiter verbessern, vor allem technisch. Wir haben alles unter Kontrolle. Keine bindenden Verträge, keine Verpflichtungen. Keine Termine, keine Deadlines. Keine Vorgaben oder Auflagen. Wir sind nahezu 100% DIY. Wir arbeiten mit unsere 2 kleinen Labels für die Distribution und einer Artistin für die Covers zusammen. Das Studio ist in unserem Haus und wir haben extrem kurze Entscheidungs- und Produktionswege. Und wir erhalten hier und da Angebote. Was wollen wir mehr? Die Zukunft von Coreign wird es wohl sein, einfach weiter unser Ding zu machen. Und wir denken, dass es eben auch genau diese Unabhängigkeit ist, welche uns weiterhin unseren Spass und diese Entspanntheit erlauben.
Radio Rock FM: Dann bedanke ich mich, das ihr euch für dieses Interview die Zeit genommen habt und überlasse euch das letzte Wort in Richtung eurer Fans und Radio Rock FM 😉
COREIGN: Vielen Dank lieber Thorsten für diese Gelegenheit und besten Dank auch an Radio Rock FM, dass wir in die Rotation aufgenommen wurden. Als reine Studio-Band, ohne Gigs, sind wir natürlich darauf angewiesen, im Radio gespielt zu werden, damit wir überhaupt wahrgenommen werden. Ein grosses Dankeschön geht natürlich auch an die Radio-DJs, Sound Engineers, Reviewers und vielen anderen Professionals welche uns durch ihre Rückmeldungen und Hilfestellungen ermöglicht haben, uns stetig zu verbessern und das zu erreichen, was wir sind und wo wir heute stehen. Wir durften viele wunderbare Menschen kennenlernen, welche, im Indy-Bereich oft auch ohne Bezahlung aber mit grosser Hingabe, uns airplay verschaffen, uns interviewen, unsere Alben reviewen oder über uns bloggen, und viele von ihnen wurden mit der Zeit echte und nahestehende Freunde. Danke auch ihnen! Und, last but not least, natürlich unsere süsse, kleine Fan-Basis – ihr seid die Besten!!! Ja, wir geben’s ja zu, Coreign ist anders, oft unkonventionell und immer breit (heh, in der Komposition natürlich!). Aber seid gewiss, wir haben unseren Spass und wenn es euch auch gefällt, umso besser! Much love and respect, Curry + Reto